Muenster-Musik.de - 1896GutachtenWid

 

1896
Gutachten von W.Widmann Domkapellmeister

Zunächst scheint es erforderlich über die bisherige Orgel sich gutachterlich zu äußern. Der Unterfertigte kennt dieselbe seit Jahren und aus genauer Untersuchung, und hat es von Anfang an als einen sehr unerquicklichen Mangel angefunden, dass das Werk in seiner Registeranlage unzweckmäßig, in der Durchführung der einzelnen Stimmen zum Teil sehr mangelhaft und in der Mechanik primitiv ist. Bei einem Werke von dieser kleinen Registerzahl (21 Reg) scheint es nur nicht recht verständlich, was die 2 fast gleichen Register Bourdon 8´und Gedeckt 8´auf demselben Manual wollen. Bourdon 16´ist nur bis 8´Tiefe geführt, die unterste Oktave fehlt. Das Positiv (2.Manual) dessen Register soweit sie überhaupt klingen, in einem Kästlein an der Brüstung der Orgelbühne stehen, ist wegen mangelnder Höhe im Pfeifenwerk in der Oktave 8-4´ überhaupt unmöglich, deshalb musste Aeoline 8´von 4´abwärts gedackt, und seines Charakters ganz und gar entkleidet werden, während Flauta dámore 8´nur bis 4´abwärts reicht. Liebl.Ged. 8´klingt gegenwärtig gar nicht, und das 2.Manual, sowie es angelegt ist, präsentiert sich als elende Stümperei.

Prinzipal 8´(1.Man) ist zwar ganz aus Zinn, ob aber beim Verschmelzen sehr viel von diesem Material abfällt, möchte ich bezweifeln. In das neue Werk dieses Register unverändert hinüber zu nehmen ist nicht denkbar, da die Pfeifen schlecht intoniert sind und mehr rauschen und rasseln als klingen. Gamba 8´ in der unteren Region unbrauchbar, weiter hinauf verwendbar, wenn umgearbeitet. Dulcian 8´läßt sich wohl verwenden, müsste aber immerhin der Noblesse und Farbenglut angepasst werden, die wir von den neueren Orgeln verlangen, einige Pfeifen haben Wurmlöcher. Bourdon 8´und Gedeckt 8´sind ganz ausdruckslos, ersteres auch schon untauglich. Flöte 4´in derselben Weise brauchbar wie Dulcian 8´, Octave 4´und vornehmlich Quint 2 2/3´zu scharf und vorlaut, Mixtur C= 2; 11/3; 1´vom 2.d aufwärts 4´mit Terz. Die Quint 2 2/3 ist dadurch bedeutungslos und sie dient nur zur Erhöhung oder Verstärkung des Geschreis. Von Octave 2´konnte ich jüngst gar keinen Eindruck bekommen, weil das Register fürchterlich verstimmt war. Das I.Manual steht im 1.Stocke des Hauptwerks. Unten in den beiden Beinen des Orgelkörpers steht das Pedal, auf C- und Cis-Seite verteilt: Subbass 16´, dazwischen Quintbass 10 2/3´, daneben 8´bass (Oktavbass), Violoncell 8´ steht ganz, Violon 16´zum Teil beim I.Manual, das Pedal ist blos 18 Tasten hoch, muß also schon aus diesem Grunde wesentlich neu werden. Das II.Manual scheint im Bestande erst später, und zwar zu verschiedenen Zeiten entstanden zu sein. Aeoline 8´und Flauto dámore 8´sind fast neu, Geigenprinzipal 4´und Flöte 4´ebenfalls noch nicht alt, doch ist letztere in schlechtem Zustande, diese beiden Stimmen lassen sich gleichfalls verwenden, Geigenprinzipal müsste entweder zu Fugara 4´umgearbeitet oder auf 8´aufgebessert werden. Das Holzmaterial der Pfeifen sowie die Flanken des Gehäuses sind teilweise vom Wurm zerfressen. An eine Adoption der Windladen, das Regierwerk und des Spieltisches ist nicht zu denken. Am meisten würde man aus dem alten Werk lösen, wenn man es ohne das schöne Gehäuse, als Ganzes irgendwo verkaufen könnte.