Muenster-Musik.de - Orgelgeschichte

 

Die Geschichte der Orgel
in der Stiftskirche Mariä Himmelfahrt,
seit 2002 Münster Zu Unserer Lieben Frau
in Lindau/B

Die erste Erwähnung einer Orgel
in der Stiftskirche findet sich in einem Schreiben von 1623:
“300 fl für eine neue Orgel gegeben,...
Orgelmacher Johann zu Ürsin”.

Im Jahre 1728
fielen die Stiftskirche und das adelige Damenstift
dem verheerenden Stadtbrand zum Opfer.

Nach Wiederaufbau und Einweihung der neuen Damenstiftskirche (1751/52) wurde
1755 durch Johann Huber aus Stiefenhofen eine Orgel aufgestellt,
deren prächtiger Prospekt auch heute noch, in veränderter Form, erhalten ist.
Das wogende Auf und Ab der Harfenfelder, die auch im Grundriss gewellt sind,
ist eine Arbeit des Geistlichen Franz Ritter aus Dornbirn,
der auch die Engelfiguren, den König David sowie die Rocaillen schnitzte.

Nach kleineren Reparaturen fand 1828
der Einbau eines Rückpositivs durch Severin Eckhardt aus Weiler statt.
Die halbfertige Orgel wurde 1830 von Benedikt Lau aus Rheinhausen vollendet,
weil Eckhardt unterdessen wegen Falschmünzerei angeklagt und verurteilt worden war,
ins Gefängnis musste und seinem Beruf vorübergehend nicht nachgehen konnte.

Unter Beibehaltung des Prospekts von 1755 baute
Remig Haaser aus Immenstadt die Orgel 1841 neu.
Diese Orgel wurde aber nur wenige Jahre bespielt, bevor sie
von Cr.Hirsch 1869 umgebaut wurde.

In seinem Befund findet sich bislang die erste überlieferte Disposition.


Nach dem Gutachten des Orgelsachverständigen Domkapellmeister W.Widmann aus Eichstätt wurde
1898 von der Firma Steinmeyer (Oettingen) eine neue Orgel gebaut.
Der Rokokoprospekt von 1755 wurde geteilt und durch eingesetzte Teile verbreitert.
Die Disposition dieser Orgel mit pneumatischen Kegelladen
umfasste 30 Register auf zwei Manualen und Pedal.

Programm der Orgelprobe 1898


Beim großen Kirchenbrand von 1922
erlitt die Orgel irreparable Schäden.

So kam es zum erneuten Neubau der heutigen Orgel durch
die Werkstatt von G.F.Steinmeyer (Oettingen) in den Jahren 1924-26.
18 Register der alten Orgel konnten nach Überarbeitung weiterverwendet werden,
die Disposition der Orgel wurde auf 60 Register erweitert.
Das beschädigte alte Gehäuse wurde restauriert und mit zusätzlichen Prospektelementen
noch einmal bis in die Seitengalerie erweitert.
Ursprünglich war die Fertigstellung der Orgel 1924 geplant,
doch erst an Ostern 1925 konnte der erste Teil der Orgel erklingen.
Steinmeyer entschuldigte sich für die Verzögerung, da die Firma noch nie
einen so komplizierten Spieltisch gebaut habe.
Der zweite Teil sowie die Fertigstellung der gesamten Orgel
erfolgte dann zu Weihnachten 1926.

1928 fügte die Firma Steinmeyer noch ein Fernwerk
mit acht Registern plus Röhrenglocken hinter dem Hochaltar hinzu.
Der Klangaustritt erfolgt zwischen den beide Bildern des Hochaltares
durch einen doppelt gewinkelten Kanal mit Schwelltüren.

Außer einer Umdisponierung von drei Registern im II.Manual
in den 50er Jahren blieb die Orgel bis zum Deckenabsturz des Hauptschiffes 1987 erhalten.

Deckenabsturz und Orgelfrage

Im Rahmen der Wiederherstellung der Kirche gab es zur Orgelfrage zwei Alternativen:
1. den Neubau einer großen Orgel
unter Verwendung noch brauchbarer Steinmeyer-Register oder
2. die Restauration der inzwischen historischen Steinmeyer-Orgel
und den Neubau einer kleineren, mechanischen Chororgel
zur Darstellung barocker Musik.

Für letztere Lösung entschied man sich sowohl aus liturgischen als auch denkmalpflegerischen Gründen.


Mit der 1993
abgeschlossenen Restaurierung der spätromantischen Orgelanlage
durch die Firma Link (Giengen/Brenz)
wurde die selten gewordene Möglichkeit geschaffen,
das Orgelrepertoire der deutschen Hoch- und Spätromantik authentisch darzustellen
und zugleich ein außergewöhnliches technisches und orgelästhetisches Denkmal zu erhalten.
Die durch den Deckeneinsturz zerstörten Register Oktavbass 8´und Prinzipal 8´im Prospekt
wurden erneuert, die Veränderung der Disposition in den 50er Jahren rückgängig gemacht,
der Registerbestand von 1924-1928 konserviert und der alten Stimmton mit 435 Herz beibehalten.
Die Orgel hat eine Gesamtzahl von 69 Registern (bei sechs Transmissionen).

Der Neubau der Marienorgel 1993 durch die Firma Josef Maier aus Hergensweiler
fiel einerseits als Kontrast aber auch als eine stilistische Erweiterung
in die Epoche des Barock aus. Im Prospekt orientierte man sich an Vorbilder
der Stumm- Prospekte, in Klangaufbau an den Barockorgeln Gottfried Silbermanns,
ohne jedoch alles exakt zu kopieren. Da auf der Seitengalerie nur wenig Raumtiefe ist,
wurden die Keilbälge in Höhe des Gesimses im Durchgangsbogen zum Querschiff untergebracht.
Die Pedalregister stehen traditionsgemäß hinter dem Hauptkorpus des Gehäuses.
Das Werk umfasst 29 Register (inklusive einer Transmission Pedal-Octavbass 8´)
auf zwei Manualen und Pedal. Durch die Transmission ist die Hauptwerkslade mit doppelten Ventilen ausgestattet,
weshalb dort problemlos der Gedecktbass 8´ des Pedals untergebracht werden konnte.
Durch die Bass-Diskant-Teilung im Brustwerk für das Cornett composé
ist zusätzlich eine Soloregistrierung mit Begleitung möglich.
Die Temperierung der Orgel wurde mit Kirnberger II angelegt,
welche durch die Tonartencharakteristik besonders geeignet ist
für die Musik von Johann Sebastian Bach.

Programm Orgelweihe 1993